100 Jahre Frauentag – ein geschichtlicher Überblick

Heute, am 8. März 2011 feiern wir den 100. Internationalen Frauentag. Anlass genug, diesen Tag und seine Geschichte mal über einen kurzen Lexikoneintrag hinaus genauer zu beleuchten.

Die Anfänge

Im August 1910 beschlossen in Kopenhagen auf der zweiten internationalen Frauenkonferenz etwa 100 Frauen aus 17 Nationen einen alljährlichen Frauentag, „um die Einführung des politischen Frauenwahlrechts zu beschleunigen“. Vor­geschlagen hatte diesen Tag die Sozialistin Clara Zetkin, zusammen mit Käthe Duncker und anderen Genossinnen. Der Beschluss lautete: „Im Einvernehmen mit den klassenbewussten politischen und gewerkschaftlichen Organisationen des Proletariats in ihrem Lande veranstalten die sozialistischen Frauen aller Länder jedes Jahr einen Frauentag, der in erster Linie der Agitation für das Frauen­wahl­recht dient. […] Der Frauentag muß einen internationalen Charakter tragen und ist sorgfältig vorzubereiten.“

Woher die Anregung für diesen Tag kam, ist heute nicht mehr eindeutig nachzuvollziehen. Als Ursprung genannt werden oft unter anderem eine De­monstration gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen und für gleichen Lohn von Arbeiterinnen in New York 1857 oder 1858, „die Streiks der Tabak- und Textil­arbeiter­innen 1908 in Manhattan“ und „der achtwöchige erfolgreiche Streik von 20 000 Hemden­näherinnen in der gleichen Stadt“. Inzwischen weisen laut Wiki­pedia jedoch mehrere Historikerinnen darauf hin, dass dieser Ursprung eine Legende ist, entstanden zu Zeiten des Kalten Krieges, um den Internationalen Frauen­tag von seinem sozialistischen bzw. kommunistischen „Erbe“ zu befreien.

Ein Grußtelegramm zum ersten Frauentag 1911 belegt, dass die unmittelbare Anregung tatsächlich wohl vom Beschluss der amerikanischen Sozialistinnen und Sozialisten von 1909 ausging „am letzten Februarsonntag große Propaganda für das Frauenwahlrecht und die Idee des Sozialismus zu veranstalten…“.

Wie gut der Vorschlag von Zetkin und Duncker in ihrer Partei, der SPD, ankam, ist unklar. Während die einen Quellen schreiben, dass sie sich nicht viele Freunde gemacht hätten und einige der Genossen ihnen  „Frauenrechtelei“ und „Extra­würste“ vorwarfen, ist an andere Stelle zu lesen, dass die SPD den Frauentag unterstützt habe – vordergründig um Frauen das Wahlrecht zu ermöglichen, wenn­gleich das eigentliche Ziel wohl eher darin zu vermuten ist, dadurch die Wähler­schaft der SPD zu vergrößern.

Der erste Frauentag fand schließlich am 19. März 1911 statt, es gab Kund­gebungen in Dänemark, Deutschland, Österreich, Schweiz und den USA. 1912 kamen Frankreich, Holland und Schweden hinzu und 1913 wurde auch in Russ­land, der Tschechoslowakei und weiteren Ländern für das Frauenwahlrecht, Mutter­schutz und menschenfreundliche Arbeitszeiten demonstriert.

Der Internationale Frauentag hatte sich in den Folgejahren gerade als Tag für die Rechte der Frauen und den Frieden etabliert, als der Erste Weltkrieg ausbrach. Zunächst wurde der Frauentag in Deutschland komplett verboten, ab 1916 durften je­doch wieder Versammlungen im Saal stattfinden.

1917 war ein wichtiges Jahr für den Frauentag

Am 8. März 1917 traten Petersburger Textilarbeiterinnen, Arbeiter- und Soldaten­frauen und auch die Bauernfrauen aus ärmeren Stadtvierteln in Streik. Sie machten damit den Anfang für die Februarrevolution, die unter anderem den Sturz des Za­ren einleitete. 1921 beschloss man auf der 2. internationalen Konferenz der Kom­mu­nis­tinnen den Internationalen Frauentag auf den 8. März zu legen, als Er­innerung an diesen Streik und seine Folgen. Nach anderen Darstellungen soll es Lenin gewesen sein, der nach Aufforderung einiger Vorkämpferinnen den 8. März zum Inter­nationalen Frauentag erklärte.

In Deutschland hingegen gründeten derweil im April 1917 enttäuschte Sozialist­_innen die „Unabhängige Sozialistische Partei Deutschlands“ (USPD). Diese beschlossen, den Interationalen Frauentag fortzuführen und er wurde im gleichen und im Folgejahr begangen. Weiterhin war die Hauptforderung das Frauen­wahl­recht. Und so sah es Ende 1918 so aus, als könnte der Frauentag wieder abgeschafft werden. Denn am 12. November 1918 wurde das freie, geheime, aktive und passive Wahlrecht für Frauen und Männer ab 20 verkündet.

Die Situation ab 1918

Nach dem Ersten Weltkrieg und vor dem Hintergrund der so­zia­lis­tischen Re­vo­lution in Russland gründeten sich in vielen europäischen Ländern sozialistische und kommunistische Parteien, was zu einer Verbreitung des inter­natio­nalen Frauentags führte.

In der Weimarer Republik mussten sich die Befürworterinnen neu aufstellen. Die Sozialist­innen waren gespalten in SPD, USPD und KPD. Clara Zetkin war nun in der KPD und da sie den Frauentag „quasi mitgenommen“ hatte, mussten die ver­blie­benen Sozialdemokratinnen von vorne beginnen. Sie erstritten sich den Frauen­tag aufs Neue und ab 1926 gab es nun auf einmal zwei Frauentage, einen sozialdemokratischen ohne festes Datum und einen kommunistischen am 8. März.

Je nach politischer Situation änderten sich auch die Themen des Frauentages immer wieder. So waren am Ende der Weimarer Republik der Kampf gegen §218, Er­werbs­losigkeit und die drohende Gefahr, die vom Faschismus ausging, im Fokus der Kund­gebungen.

Aufgrund seines sozialistischen Ursprungs war der Internationale Frauentag zwischen 1933 und  1945 in Deutschland verboten. Stattdessen wurde die Feier des Muttertags forciert, dieser wurde gar offizieller Feiertag.

Nach 1945

Naturgemäß gingen die beiden Teile Deutschlands grundsätzlich anders mit dem Internationalen Frauentag um. Im Osten wurde der Internationale Frauentag ab 1947 wieder begangen. Da man aber die damit verbundenen politischen For­de­rungen als überflüssig erachtete – Gleichberechtigung und Emanzipation galten schließlich als erreicht – entwickelte sich der Frauentag immer mehr zu einer Art „sozialistischer Muttertag“.

Im Westen geriet der Tag immer mehr in Vergessenheit. Es standen andere The­men im Fokus, wie der Kampf gegen die Wiederaufrüstung oder Einsatz für Völkerverständigung.

Erst mit der Frauenbewegung der 60er rückte in den westlichen Ländern der Frauen­tag und seine Bedeutung wieder mehr ins Zentrum des Interesses. 1977 schließ­lich wurde der 8. März von der Generalversammlung der UN als Inter­nationaler Frauentag anerkannt.

Der Frauentag nach der Wiedervereinigung

1993 besannen sich Frauenrechtlerinnen aus West und Ost wieder auf den Ur­sprung des Frauentages: Das Einfordern von Frauenrechten, das Anprangern von Diskriminierung und Ungleichbehandlung. 1994 wurde am 8. März der so genannte „Frauenstreiktag“ ausgerufen, bundesweit demonstrierten eine Millionen Frauen für ihre Rechte. Dieser Tag gilt als eine Art „Comeback“ des Frauentages. Seit dem erreicht der 8. März jedes Jahr eine recht hohe mediale Aufmerksamkeit und es gibt bundesweit viele Veranstaltungen, die von ganz unterschiedlichen (Frauen-)gruppen organisiert werden.

Inhaltlich wird der Internationale Frauentag heute meist genutzt, um den Fokus auf ein bestimmtes Problem der Frauen weltweit zu lenken, wie Gewalt gegen Frauen, Genitalverstümmelungen oder Chancengleichheit in Bildung und Politik. Leider bleibt es oft bei diesen medienwirksamen Aufrufen und Lippen­bekenntnissen. Angesichts dieser Entwicklung sprach die Luxemburgische EU-Kommissarin Viviane Reding vom „Feigenblatt eines symbolhaften Tages“ und Alice Schwarzer fordert ganz in der Tradition der Frauenbewegung der 70er Jahre gar eine komplette Abschaffung des „gönnerhaften 8. März“.

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Zum Weiterlesen: Quellen und Literaturtipps:

Florence Hervé, Elly Steinmann und Renate Wurms: „Das Weiberlexikon. Von A wie Abenteurerin bis Z wie Zyklus“
Ilse Lenz (Hrsg): „Die neue Frauenbewegung in Deutschland. Abschied vom kleinen Unterschied“

Rede von Jutta Limbach anlässlich des 100. Frauentages (PDF)
Wikipediaartikel „Internationaler Frauentag“
Kurzer Infotext zum Internationalen Frauentag auf verdi.de

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